Gegenwart und Zukunft der Lithium-Akkus
Ein Interview mit Prof. Dr. Martin Winter
Die Entwicklungen der Technik in den letzen zehn Jahren in unserem Hobby ist geprägt von der Entwicklung auf dem Bereich der Antriebe und besonders der Entwicklung der Akkutechnik. Bürstenlose Motoren und Lithium-Polymer-Akkus (LiPo-Akkus) haben für eine verfügbare Technik gesorgt, die früher kaum vorstellbar war. Statt mit Gasturbinen fliegen immer mehr Modell-Jets mit elektrischen Impeller-Antrieben. Die Frage stellt sich aber natürlich, wie geht die Entwicklung insbesondere auf dem Gebiet der Akkutechnik weiter.
Wir haben uns mit dieser Frage an das MEET Batterieforschungszentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gewandt – einem der führenden Institute bei der Entwicklung moderner Lithium-Ionen-Technologien. In dem Institut laufen über 60 Projekte die sich mit Lithium-Ionen-Technologie beschäftigen. Unter anderem beschäftigt man sich mit neuen Materialien und Zell-Design sowie Alterung und Sicherheit von Batterien.
Quelle: WWU/Peter Grewer
Professor Dr. Martin Winter ist an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Professor für Angewandte Materialwissenschaften für Batterieanwendungen. Der Chemiker forscht seit mehr als 20 Jahren im Bereich der elektrochemischen Energiespeicherung und Energieumwandlung. Also richteten wir eine Anfrage an das Institut und waren besonders froh zu hören, dass Herr Winter uns für ein Interview zur Verfügung steht. Geführt wurde das Interview von EDF-Jets.de Chefredakteur Peter Kaminski.
EDF-jets.de: Wie wird sich die Entwicklung der Lithium-Akkus entwickeln?
Prof. Dr. Winter: Die Lithium-Metall-Batterie gibt es ja schon seit Anfang der 60er-Jahre. Die Lithium-Ionen-Technologie hingegen gibt es seit 1991 - also erst wenig mehr als 20 Jahre und diese entwickelt sich stetig weiter. Für verschiedene Anwendungen wird es Akkus mit unterschiedlichen Performance-Profilen geben, aber letztendlich kommen immer wieder dieselben Performance-Größen ins Spiel. Entscheidend ist das Thema Sicherheit. Eigentlich sind Lithium-Ionen-Akkus eine sichere Technologie. Es passiert viel weniger als zum Beispiel mit Blei-Batterien. Nichtsdestotrotz muss dieser Punkt über Forschung weiter verbessert werden. Der zweite wichtige Parameter ist die Erhöhung der Energiedichte, um größere Reichweiten zu erzielen. Der dritte Punkt ist dann die Leistung - besonders die Ladeleistung, um die Ladedauer zu verringern. In Anbetracht der hohen Anschaffungskosten ist außerdem die Lebensdauer ein entscheidendes Merkmal. Der letzte zu erwähnende Punkt sind die Kosten, besonders bei der Fertigung der einzelnen Zellen. Hier erwartet man durch Massenfertigung eine deutliche Kostenreduzierung.
Wie groß ist eigentlich der Einfluss von Rohstoffkosten auf den Preis?
Prof. Dr. Winter: Was die Kosten angeht sind wir bei 18 bis 25 Cent pro Watt-Stunde. Das ist schon relativ niedrig und viel weiter runter wird es wohl nicht gehen können. Die Automobilindustrie stellt sich so um die 10 bis 15 Cent pro Watt-Stunde vor. Da sind wir also schon sehr nah dran. Verbesserungen sind hier durch eine höhere Automatisierung in dem Fertigungsablauf zu erreichen. Man darf aber nicht damit rechnen, dass sich der Bedarf an Rohstoffen für die Zellenfertigung verringern wird. Je mehr Lithium, Kobalt, Nickel und Kupfer für die Lithium-Batteriefertigung benötigt werden, umso mehr werden dann die Rohstoffpreise steigen. Dazu kommt, dass man sich bei den großen Mengen, mit denen wir es in der Zukunft zu tun haben werden, auch über das Recycling Gedanken machen muss. Bei bestimmten chemischen Verbindungen ist es so, dass sich das Recycling eigentlich nicht rechnet, es aber erforderlich ist, um den Rohstoff sich zu sichern.
EDF-Jets.de: Was für Technologien werden denn in der weiteren Zukunft eingesetzt, um die Kapazität der Akkus zu erhöhen?
Prof. Dr. Winter: Es gibt die Möglichkeit der Dünnschichtfertigung, die ja schon heute angewandt wird. Man kann hier mit extra Schichten arbeiten, um die Reaktivität, insbesondere hochreaktiver Materialien, zu mindern. Im Prinzip hat man eine Grundschicht, die das sogenannte aktive Material enthält. Diese wird dann mit einer dünnen Schutzschicht belegt, die zum Beispiel keramischer Natur ist, und damit die Hochtemperaturstabilität verbessert.
Die Lithium-Ionen-Technologie ist ohne Frage mittel- und langfristig weiter entwickelbar. Es gibt ja geschätzt mehrere Zehntausende von Materialien, die einsetzbar sind. Natürlich kommen nicht alle Materialien in der Praxis in Frage - insbesondere unter dem Aspekt der Lebensdauer.
Man forscht zum Beispiel im Bereich Hochenergie-Akkus, besonders für den Einsatz im KFZ-Bereich. Hier gibt es die so genannte Lithium-Luft-Batterie, bei welcher der Sauerstoff aus der Luft mit Lithium-Metall elektrochemisch verbrannt wird. Das Ganze hat eine unglaublich hohe Energiedichte, aber gleichzeitig auch eine hohe Reaktivität. Hier gibt es ganz andere Anforderungen als bei der Verwendung der Lithium-Ionen-Technologie. Im Moment ist die Zyklen-Lebensdauer aber noch absolut unzureichend. Mit dieser Technologie ist man erst noch am Anfang und man wird vielleicht erst 2025 bis 2030 soweit sein, dass diese Technologie in der Praxis auf breiter Front zum Einsatz kommt.
EDF-Jets.de: Was für eine Rolle spielen dabei die Technologien der Anode und Kathode? Hier hört man ja immer von großen Fortschritten.
Prof. Dr. Winter: Ich glaube, dass das Ganze schon relativ weit nach vorne getrieben wurde. Vielleicht erwartet man hier etwas zu viel von den Elektroden-Fertigungstechnologien. Ich glaube nicht, dass hier noch Quantensprünge im Bereich der Kostenmöglich sind. Was ich ganz klar sehe, ist das Thema wässriges Prozessieren von Anoden- und Kathodenmaterialien. Wasser als Prozesslösiungsmittel ist günstig und umweltfreundlich.
EDF-jets.de: Wie sieht es denn mit der Entwicklung speziell der Lithium-Polymer-Akkus aus?
Prof. Dr. Winter: Also der Begriff Lithium-Polymer-Technik ist meiner Meinung nach nicht ganz genau definiert. Die Lithium-Polymer-Technik sieht im Prinzip den Einsatz von Lithium- und Polymer-Materialien vor. Hierbei gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann eine Zelle polymer einschweißen - also eine Plastikfolie als Gehäuse nehmen. Dann lässt sich eine Zelle mit einem polymeren Elektrolyten verwenden, die Lithium-Metall enthält. Das ist zurzeit noch im Versuchsstadium.
Dann gibt es noch Lithium-Ionen-Batterien, die eine polymere Matrix enthalten. Das heißt, zwischen den beiden Elektroden gibt es einen Schwamm, der aus Polymer besteht und in diesem Schwamm ist der flüssige Elektrolyt untergebracht. Wenn wir heute von Lithium-Polymer-Akkus sprechen, sind damit in der Regel Lithium-Ionen-Batterien mit polymeren Anteilen gemeint. Das heißt, Polymere sind im Bereich Elektrolyt und/oder im Gehäuse im Einsatz.
Lithium-Polymer-Akkus sind also eine Variante der Lithium-Ionen-Technologie mit Vor- und Nachteilen. Der Vorteil ist, dass man den Elektrolyten immobilisiert und das der Elektrolyt immer da ist, wo er sein soll - also keine Leckagen erfolgen und die Benetzung der Elektroden intakt bleibt. Der Lithium-Polymer-Akku hat besonders auch da Vorteile, wo dünne und leichte Gehäuse gesucht werden. Dort wird er weiterhin eine große Rolle spielen. Im Bereich der Automobilindustrie möchte man aber feste Gehäuse haben, weil man davon ausgeht, dass diese sicherer sind.
Technologien für die Anode und Kathode bei Lithium-Ionen-Akkus lassen sich auch für Akkus mit Polymer-Elektrolyt-Bestandteilen umsetzen. Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren noch mehr eine Diversifizierung als eine Fokussierung auf bestimmte Akkutechnologien gibt.
EDF-jets.de: Für uns ist ja in unserem Anwendungsfall der Parameter Energiedichte sehr wichtig. Was wird hier zu erwarten sein?
Prof. Dr. Winter: Die Einheit der massenbezogenen Energiedichte ist ja Ampere-Stunden mal Volt durch Kilogramm (Ah * V / kg). Es gibt drei Arten, die Energiedichte zu beeinflussen. Eine Möglichkeit ist die Verringerung der Masse der Inaktivmaterialien, wie Gehäuse, Abdichtungen, Separator und Elektrolytmaterial. Die zweite Variante ist, dass man den Aktivmaterialien eine höhere Kapazität (Ah/kg) gibt. Bei der Lithium-Technologie ist es so, dass sich mit jedem Lithium-Ion, das man speichern kann, auch ein Elektron speichern lässt. Viele Elektronen in einer Reihe ist eben elektrischer Strom und je mehr Elektronen bereitstehen, umso länger kann man etwas betreiben bzw. eine umso größere Kapazität erreicht man.
Der dritte Aspekt ist die Spannung – sprich wie ist die Differenz der Potentiale zwischen der Plus- und Minus-Elektrode von der Chemie her. Mit der Spannung lässt sich am meisten erreichen, aber dadurch steigt die Reaktivität auch wieder. Am schönsten wäre eine so genannte symmetrische Kapazitätsverteilung, also die gleiche Anzahl von Ampere-Stunden pro Kilogramm auf der Anode und Kathode. In diesem Fall kann man ein Kilogramm Anodenmaterial mit einem Kilogramm Kathodenmaterial balancieren und dadurch ergibt sich eine optimale Energiedichte. Bei der Lithium-Ionen-Technologie und auch bei den Lithium-Polymer-Akkus ist es bislang so, dass man ca. zweieinhalb Kilogramm Kathode benötigt um ein Kilogramm Anode zu balancieren. Beim Verhältnis von 2,5 zu 1 hat man die gleiche Menge Ladung an Lithium-Ionen als hätte man den optimalen Fall von eins zu eins. Aber man hat mehr Masse an Elektrodenmaterial und zwar nicht zwei Kilogramm, wie beim optimalen Fall, sondern eins plus zweieinhalb also 3,5 Kilogramm und somit fast eine Verdopplung des Gewichtes bei gleicher Kapazität. Ein Ausbalancieren bzw. der Symmetriefall ist aber aufgrund der Chemie der verwendeten Stoffe nicht ganz so einfach.
EDF-Jets.de: Und wie wird da die Prognose bei der Energiedichte ausfallen?
Prof. Dr. Winter: In den letzen zwanzig Jahren, seitdem es die Lithium-Ionen-Technologie gibt, hat sich die Energiedichte verdreifacht. Meiner Einschätzung nach lässt sich die Energiedichte vielleicht noch einmal verdoppeln, vielleicht auch noch etwas mehr. Größere Steigerungen werden aber aus heutiger Sicht wohl nicht möglich sein. Die Lithium-Ionen-Technologie basiert auf Einlagerungsmaterialien für Lithium-Ionen. Irgendwann ist die höchste Packungsdichte an Ionen erreicht und wir befinden uns da heute auf der Hälfte des Machbaren. Das Erreichen der Verdoppelung wird wohl keine 20 Jahre brauchen, aber man muss bedenken, dass auch andere Parameter wie Sicherheit und Lebenddauer eine wichtige Rolle spielen.
Die Entwicklung wird also eher evolutionär als revolutionär vorangehen. Revolutionäre Entwicklungen fallen halt nicht vom Himmel. Viele technologische Versprechen sind auch davon geprägt, dass die Firmengründer für weitere Forschungen Finanzmittel benötigen. Die Welt wird daher manchmal etwas zu rosig betrachtet.
EDF-jets.de: Wie sieht es mit dem Thema Sicherheit aus. Gibt es hier neue Aspekte?
Hier steht das Thema Separatoren im Vordergrund. Jeder, der große Zellen herstellt, baut dabei sicherlich nicht auf polymere - also schmelzbare Separatoren - sondern auf Separatoren auf Keramikbasis. In der Elekrofahrzeugbatterie sind Keramikseparatoren Standard. Bei den kleineren Akkus kommen häufig keramische Beschichtungen auf den Elektroden zum Einsatz. Das Ganze ist natürlich auch eine Frage des Preises.
EDF-jets.de: Sind andere Technologien in naher Zukunft denkbar, die die Lithium-Ionen-Technologie ersetzen?
Prof. Dr. Winter: Mit der Lithium-Ionen-Technologie lässt sich sehr effizient Energie speichern. Man erreicht beim Ein- und Ausspeichern einen Faktor von 90 bis 95 Prozent. Das lässt sich so schnell mit keiner anderen Technologie erreichen. Besonders an Hybridantriebe, die die Lithium-Ionen-Technologie mit dem Verbrennermotor kombinieren, glaube ich sehr. Im portablen Bereich hat die Lithium-Ionen-Technologie eine hervorragende Kombination von Leistung und Energie bei relativ hoher Langlebigkeit. Diese Kombination der Eigenschaften kriegt man mit anderen Systemen und Technologien so schnell nicht hin. Die Lithium-Ionen-Technologie wird noch eine sehr lange Zeit die Batterietechnologie für elektrische Reichweite bleiben.